29.10.2010

Handys für Reiche und kostenlose Dienstleistungen bescheren der Nokia-Tochter Vertu traumhafte Wachstumsraten. Goldvish Mobiado Lancaster Dior Versace












Handys für Reiche und kostenlose Dienstleistungen bescheren der Nokia-Tochter Vertu traumhafte Wachstumsraten. Das Geschäft mit Luxushandys setzt die Regeln des Mobiltelefonmarkts außer Kraft.

Man erkennt sie an den grauen Anzügen, die Heinzelmännchen der britischen Luxus-Handymarke Vertu. Sie stehen bei der Vorstellung von Vertus erstem Smartphone - Mindestpreis 5500 Euro - in den ehrwürdigen Hallen des Londoner Lancaster House und erzählen von den Herausforderungen, die ein Job beim telefonischen Conciergedienst des Nobelherstellers mit sich bringt. Mal müssen sie Vertu-Kunden Plätze in einem ausgebuchten Restaurant erkämpfen, mal innerhalb von 20 Minuten einen Miet-Ferrari organisieren. Der Rundumservice ist eines von Vertus wichtigsten Verkaufsargumenten. Im ersten Jahr ist er für den Handybesitzer kostenlos - danach werden jährlich 1800 Pfund fällig.
 
Vertu, Tochterfirma des finnischen Handyriesen Nokia, ist ein Urgestein im jungen Markt für Luxushandys. Noch sind Mobiltelefone für mehrere 1000 Euro absolute Nischenprodukte. Zwischen 250.000 und 300.000 Stück hat Vertu verkauft, seit 2002 das erste Modell auf den Markt kam. Nokia  setzte nach Berechnungen des Marktforschers Gartner allein im letzten Jahr 441 Millionen Handys ab. Trotzdem kann Nokia von Vertus Wachstumsraten nur träumen. "Von 2006 bis 2008 haben wir prozentual dreistellige Umsatzzuwächse erzielt", sagt Geschäftsführer Perry Oosting. Im ersten Halbjahr 2010 seien es immerhin 40 Prozent gewesen. Seit vier Jahren schreibt Vertu laut Oosting schwarze Zahlen. Umsatz und Gewinn weist die Nokia-Tochter nicht öffentlich aus. Vor allem in China, Russland und dem Nahen Osten ist Vertu beliebt. "Hier ist der Glitzerfaktor wichtiger als die Trendiness", sagt Gartner-Analystin Carolina Milanesi.
 
Das Geschäft mit Luxushandys setzt alle Regeln der Branche außer Kraft. Regelbruch Nummer eins: Es gibt keinerlei Beschränkungen, was Kosten und Herstellungsaufwand angeht. "Das ist der Traum jedes Ingenieurs", sagt Hutch Hutchinson, Technologiechef bei Vertu. Zweieinhalb Jahre hat seine Firma gebraucht, um das Smartphone zu entwickeln. Per Hand werden die Geräte zusammengesetzt. Verbaut werden Leder, Keramik, Saphir. Im Inneren steckt Nokia-Technik - ausgewählt nicht nach innovativer Technologie, sondern nach solider Leistung. Die Innovationszyklen liegen bei Luxushandys nicht im Monats-, sondern im Jahresbereich.
"Die Technologie entwickelt sich so schnell, dass wir erst gar nicht versuchen, hier aufzuholen", sagt Serge Simon, Generaldirektor des Vertu-Konkurrenten ModeLabs. Ein Zweig der französischen Firma entwickelt, baut und vertreibt Luxustelefone für Auftraggeber wie Tag Heuer, Dior und Versace. Die Kosten übernimmt ModeLabs, die Luxusmarken vergeben lediglich die Lizenzrechte an ihrem Namen. Für sie ist es ein profitables Geschäft. ModeLabs dagegen schreibt bisher Verlust. Das Interesse der Luxuslabels an einer eigenen Handylinie sei groß, sagt Simon. Die Einstiegskosten in den Mobilfunkmarkt betrügen allerdings mehrere Millionen Euro - "zehn- bis 20-mal mehr, als die Entwicklung von Uhren kostet."
 
Vertrieben werden Modelle von Vertu, Versace oder anderen Luxusherstellern wie der Schweizer Firma Goldvish oder Mobiado aus Kanada nicht im Handyshop, sondern beim Juwelier, in Luxusboutiquen oder eigenen Markenshops. "Am Anfang war es sehr schwierig, ein eigenes Distributionsnetz aufzubauen", sagt Oosting. Inzwischen ist Vertu in 70 Ländern vertreten, auch in Japan, wo der Mutterkonzern Nokia Ende 2008 das Feld geräumt hat. Konkurrenz bekommt Vertu nicht nur von Edelmarken, sondern auch von Designern, die normale Handys mit Gold und Diamanten veredeln. "Je exklusiver, desto mehr Verlangen haben die Menschen, viel Geld auszugeben", sagt Designer Stuart Hughes. Seine Kollektion umfasst ein iPhone für 1,9 Mio. Pfund, angeblich das teuerste Telefon der Welt.
 
Perry Oosting gibt sich gelassen: "Es sitzen vielleicht Diamanten auf dem iPhone. Aber sie sitzen auf einem Plastikgerät." Zudem gebe es nur bei Vertu den persönlichen Helferservice. Manche Kunden seien regelrecht süchtig danach, die Organisation ihres Lebens an Vertu auszulagern, sagt Oosting: "Einer unserer Kunden ruft den Conciergeservice täglich bis zu 20-mal an."